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Ackerbürgerstadt

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Wipperfürth als Ackerbürgerstadt

In der Altstadt gab es einst mehr Kühe als Menschen

Das historische Wipperfürth war eine Ackerbürgerstadt; das bedeutet: Jeder Bürger ? egal, ob Advokat, Kaufmann, Handwerker, Pastor – betrieb auch Landwirtschaft und hatte Vieh. Nach einer Notiz aus dem Jahr 1777 gab es zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Altstadt – einem Areal von knapp 400 mal 400 Metern, in dem in 170 Häusern 2.500 Menschen lebten – 45 Pferde, 98 Ochsen, 1554 Kühe, 600 Rinder, 57 Schafe und 42 Schweine. Dementsprechend waren die hygienischen Verhältnisse; 1793 bemerkt ein Reisender: „Innerhalb der Stadt ist es sehr unreinlich und das Pflaster zum Theil mit Koth bedeckt.“

Separate Ställe waren die Ausnahme; die Tiere waren meistenteils in den Kellergeschossen der Häuser untergebracht; aufgrund der Hanglage waren diese ebenerdig oder über wenige Stufen zu begehen. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein hieß die Marktstraße „Kauhstrote“, und erst in den frühen 1960er Jahren wurden die letzten Kühe aus den Kellern geholt.

Auch für Scheunen war fast nirgendwo Platz vorhanden; Heu und Stroh wurden noch im 19. Jahrhundert auf den Speichern der Häuser gelagert. Dies war ein Hauptgrund dafür, dass Brände meist ein katastrophales Ausmaß annahmen.

Die Misthaufen waren meistens hinterm Haus; noch in einem Plan von 1796 werden die heute so genannten „Brandgassen“ als „Mistwege“ bezeichnet, und noch 1866 erinnert der Bürgermeister in einer Verlautbarung an die Polizeivorschrift, dass man die Misthaufen nicht vor, sondern hinter den Häusern anzulegen habe. War da kein Platz, gab es eine Ausnahmegenehmigung, die aber an die Bedingung geknüpft war, dass die Miste mit einem Mäuerchen umgeben wurde.

Die alten Häuser hatten meist einen Brunnen im Keller, dessen Wasser aber sicher nicht getrunken wurde. Bis weit in die Neuzeit hinein war der Marktbrunnen auf dem Marktplatz die einzige Trinkwasserquelle; noch heute bezieht er sein Wasser aus dem Quellbereich des Nackenborns.

Im Gässchen von der Unteren Straße zur Nikolauskirche war ein Gitterrost in den Boden eingelassen, damit die Huftiere nicht auf den Friedhof gelangen konnten. In Hattingen hat sich für die Zugänge zum alten Friedhof der Name „Röster“ erhalten; in Rönsahl weist die Straßenbezeichnung „Vor dem Isern“ auf ein solches Gitter hin.

Quelle: Heimat- und Geschichtsverein Wipperfürth, Erich Kahl


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