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"Penne"

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Adelssitze in Wipperfürth

Ritterlöh, Nagelsgaul – und die „Penne“

Dass auf dem Klosterberg, der ehemals „Krähenberg“ hieß, einmal eine Ritterburg gestanden habe, ist ein romantisches Märchen; als „borch“, „sloz“, „zinnen“ oder „Krakenburg“ bezeichnete man den massiven Turm des Siegburger Tores.

Es gab aber den „frey adelichen rittersitz zur Gaull“ und das „Haus Löh“ bei Kreuzberg, aus dem das Gehöft „Ritterlöh“ hervorging, das auch einmal „Junkerlöh“ hieß. Beide Häuser lagen in der Nähe eines alten Fernhandelsweges.

Während die Geschichte des Hauses Löh, von dem sich keine Reste erhalten haben, noch der Aufklärung bedarf, gibt es über die Wasserburg Nagelsgaul zahlreiche Informationen. Erstmals 1470 als „Goyll“ erwähnt, ging sie 1590 in den Besitz des Friedrich von Katterbach über. Dessen Enkelin Maria Judith heiratete 1651 Matthias Johann Adam von Nagel (1623-1685) aus Ittlingen, der pfälzischer Rittmeister, dann Obristleutnant und schließlich Major und Kommandant einer bergischen Reiterkompanie gewesen war; aus „Katterbachs Gaul“ wurde „Nagelsgaul“. 150 Jahre blieb der Rittersitz im Besitz der Familie, wobei die Linien allerdings wechselten. Fast ebenso lange stellten die von Nagels den Amtmann von Bornefeld und Hückeswagen.

Da man meist über mehrere Burgen verfügte, haben nur wenige Burgbesitzer Nagelsgaul auch tatsächlich bewohnt. Der erste war Stephan Heinrich Conrad von Nagel, der 1695 in Lindlar Anna Maria Stael von Holstein ehelichte; beider Allianzwappen ist über dem Portal des heutigen Gutshauses eingemauert. Stiftungen zugunsten des Franziskanerklosters und des Hospitals belegen die engen Beziehungen des kinderlosen Ehepaares zur Stadt Wipperfürth.

Vielleicht hat es auch 1699 die „Penne“ am Marktplatz erbaut. Der Wohnkomfort in einer Wasserburg war, zumal im Winter, sicher bescheidener als der in einem standesgemäßen Stadthaus. Von der „Penne“ wissen wir, dass sie in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts dem Freiherrn Johann Wilhelm von Nagel (1709-1788), einem Neffen des Stephan Heinrich Conrad, gehörte. Der war zwar nie der Herr von Nagelsgaul, könnte das Stadthaus aber von der Witwe seines dort residierenden Halbbruders Philipp Caspar erworben haben, die nach 1744 ihren gesamten Besitz veräußerte und sich in ein Damenstift zurückzog.

Stephan Franz Adolph Joseph von Nagel (1741-1821), Herr auf Badinghagen und Listringhausen sowie letzter Amtmann von Hückeswagen und Bornefeld, kam zum Jagen und Fischen nach Nagelsgaul, wo er einen „Lustgarten“ anlegte. 1788 ließ er eine Karte des Besitzes anfertigen, auf der die Umrisse des „alten Schlosses“ noch erkennbar sind. Im Urkataster von 1830 trägt das Inselchen die Bezeichnung „In der Ruine“.

Seit 1801 ist Nagelsgaul „bürgerlich“. Auf dem Gelände der ehemaligen Vorburg entwickelte sich ein Bauernhof. Neben dem Wappenstein aus der Zeit um 1700 halten die erhaltenen Wasseranlagen die Erinnerung an die Vergangenheit wach.

"Penne"

Nagelsches Haus

2011

Die heute so genannte „Penne“ ist das älteste erhaltene Haus in der Wipperfürther Altstadt. Eine Inschrift am ovalen Oberlicht der Haustür nennt das Erbauungsjahr 1699. Bei der Brandkatastrophe vom zweiten Weihnachtstag 1780, die sämtliche Häuser an der Südseite des Marktplatzes betraf, wurde das Haus zwar auch von den Flammen erfasst, entging aber aufgrund seiner massiven Umfassungsmauern der vollständigen Zerstörung. Auch die Fassade verrät das hohe Alter; im Gegensatz zum 1782 erbauten Nebenhaus gibt es hier noch keine symmetrische Gliederung der Fensterachsen; das erwähnte Oberlicht erinnert stark an das der Eingangstür zum Westflügel des Franziskanerklosters, der 1673 erbaut wurde. Während das Haus neben „Altem Stadthaus“ und „Reinshagen-Haus“, die beide nach 1780 errichtet wurden, eher klein wirkt, wird es zur Erbauungszeit sicher eines der größten Häuser am Markt gewesen sein.

Früher war die „Penne“ als „von Nagelsches Haus“ bekannt. Daraus hat man geschlossen, dass es als Stadthaus des Schlossherrn von Nagelsgaul errichtet worden sei; nachzuweisen ist das nicht. Etwa ab 1750 wohnten hier Johann Wilhelm von Nagel und seine Frau Maria Adelheid, die eine Tochter des Hofkammerrats von Mülheim, seines Zeichens Richter und Kellner der Ämter Bornefeld und Hückeswagen, und eine Enkelin des Wipperfürther Bürgermeisters Helling war. Johann Wilhelm von Nagel war niemals Herr von Nagelsgaul und ist auch nicht dort aufgewachsen, könnte das Haus aber der dort residierenden Witwe seines Halbbruders abgekauft haben. Nach Johann Wilhelm und seiner Frau hat der Hof Nagelsbüchel, der zu Maria Adelheids mütterlichem Erbe gehörte, seinen Namen bekommen. Ihr verdankt die Stadt Wipperfürth eine Stiftung, die armen Kindern den Schulbesuch ermöglichen sollte. Das Ehepaar ist vor dem Altar der Klosterkirche beigesetzt.

Seit 1870 ist in dem ehemals von Nagelschen Haus Gastronomie nachgewiesen. Der Name „Penne“ taucht damals noch nicht auf. In einem Fremdenführer von 1922 ist von der „Herberge zur Heimat“ die Rede. Seit der Restaurierung des Hauses durch Gastwirt Jonny Johnen im Jahr 1980 gehört die „Penne“ zu den beliebtesten Gaststätten der Stadt.

 

um 1900
um 1910

Quelle: Heimat- und Geschichtsverein Wipperfürth, Erich Kahl


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