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Marktbrunnen

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Bergische Hauptstadt Wipperfürth

Der Brunnenlöwe als Symbol bürgerlichen Selbstbewusstseins

Mit Düsseldorf, Ratingen und Lennep gehörte Wipperfürth zu den vier Bergischen Hauptstädten und hatte als solche einen besonderen Status innerhalb der Landstände der seit 1348 vereinigten Länder von Jülich, Berg und Ravensberg. Einmal im Jahr entsandte die Stadt Delegierte zum Treffen der Landstände, dem sog. „Landtag“, in die Regierungshauptstadt Düsseldorf. Hier nahmen die Vertreter der Städte und die Adligen, sofern sie im Besitz eines „freiadeligen Gutes“ waren, gleichberechtigt an der Besprechung der Regierungsangelegenheiten teil.

Als im Jahr 1590 auf unserem Marktplatz der Brunnen erneuert wurde, stiftete der Bürgermeister Luther von Langenberg zu seinem Schmuck die Statue eines Löwen, der einen Wappenschild mit zwei bergischen und zwei jülichen Löwen sowie den ravensbergschen Sparren in seinen Pranken hält. Diese Maßnahme ist nicht als Huldigung an den regierenden Fürsten aus dem klevischen Herrscherhaus zu verstehen, der ein ganz anderes Wappen führte. Vielmehr spiegelte sie das Selbstbewusstsein Wipperfürths als landtagsfähiger Stadt, und sie war ein Bekenntnis zur Souveränität des Landes, die damals aus verschiedenen Gründen ernsthaft bedroht war. Da der regierende Herzog Wilhelm und sein Sohn Johann Wilhelm beide gemütskrank waren und die Regierungsgeschäfte weitgehend den herzoglichen Räten überließen, versuchten diverse Reichsfürsten einschließlich des Kaisers aus dem Hause Habsburg, aber auch ausländische Mächte Einfluss zu nehmen, wogegen sich die Landstände weitaus deutlicher positionierten als die herzoglichen Räte.

Nach Wilhelms Tod eskalierte der Konflikt; die herrschende Rätegruppe, die die Regierungsbefugnis für sich allein beanspruchte, suchte Hilfe beim Kaiser und gab deshalb die konfessionsneutrale Haltung auf, die ein wesentliches Anliegen der Landstände gewesen war. Deren aktive Vertreter wurden nun als Landesverräter hingestellt, ihre zentrale Führungspersönlichkeit ermordete man ebenso wie Herzog Johann Wilhelms Gattin Jakobe, die mitregieren wollte und ein Bündnis mit den Landständen suchte.

In diesem Zusammenhang macht ein Wipperfürther von sich reden: Nikolaus von Langenberg, der Sohn des genannten Bürgermeisters, wird 1601 für einige Monate in der Festung Jülich inhaftiert, weil er den Kaiser in einer Schmähschrift beleidigt haben soll. In Wahrheit richtete sich seine Kritik gegen die Politik der herzoglichen Räte in Düsseldorf.

Immer wieder ein Raub der Flammen

Viele Menschen erlebten in ihrem Leben drei bis vier Stadtbrände

Zwischen 1333 und 1585 hat es in Wipperfürth nicht weniger als zehn große Brände gegeben; mehrfach wurde die Stadt dabei fast vollständig zerstört.

Fast immer waren Haushalts- oder Gewerbeunfälle die Brandursache. In den Häusern gab es damals noch keine Herde, sondern offene Feuerstellen mit Rauchfang und einem hölzernen Kamin. Talglichter und Öllampen dienten der Beleuchtung. Wohnung und Gewerbe waren nicht getrennt, und in vielen Gewerben ? so beim Schmieden, Kornbrennen und Bierbrauen ? wurde mit offenem Feuer gearbeitet. Man benannte die Brände meist nach dem Eigentümer des Hauses, in dem sie ausgebrochen waren.

Der Stadtbrand von 1352 wurde durch Blitzschlag ausgelöst, der von 1404 hatte als einziger mit einer kriegerischen Auseinandersetzung zu tun: Soldaten des Kölner Erzbischofs besetzten die Stadt, nachdem sich der junge Graf von Berg mit diesem angelegt hatte; die Verteidiger unter dem Ritter Krüwel (vom späteren Schloss Gimborn) verschanzten sich im Siegburger Torturm am oberen Ende der Klosterstraße und beschossen von dort aus die Stadt mit Brandpfeilen …

Das Ausmaß der Brandkatastrophen hatte viel mit der Baustruktur zu tun: Die Straßen waren schmaler als heute, die Häuser mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt, mit denen noch bis Ende des 18. Jahrhunderts auch die Fachwerkwände verkleidet waren. Hinzu kam, dass die Ackerbürger Heu und Stroh unterm Dach lagerten.

Man war sich der Gefahr durchaus bewusst. Die hölzernen Kamine wurden regelmäßig kontrolliert. Zusätzlich zum Nachtwächter mussten alle Bürger reihum nachts Patrouillengänge übernehmen. An vielen Stellen waren Leitern und Löscheimer deponiert. Das Wasser im ehemals bis unter das Bodenniveau reichenden Trog des Marktbrunnens, der nach dem Stadtbrand von 1585 erneuert wurde, war zum Feuerlöschen gedacht. Aus einem vom Mittelpfeiler ausgehenden langen Rohr konnte man das Trinkwasser abfüllen; das überschüssige Wasser wurde außerhalb des Beckens in Kanäle geleitet und speiste mehrere kleine, aus Brettern gezimmerte Brunnen in der Umgebung sowie einen Feuerlöschteich auf dem Marktplatz. Zusätzlich gab es Ziehbrunnen in den Kellern der Häuser.

Aber all diese Maßnahmen reichten nicht aus. Man versuchte es auch mit himmlischem Beistand: Nach dem Großbrand des Jahres 1465 gelobten die Wipperfürther eine Wallfahrt nach Catania zum Grab der heiligen Agatha, der Schutzheiligen gegen Feuer. Nachdem der Bischof die Gemeinde von dieser Verpflichtung entbunden hatte ? Sizilien war doch arg weit weg ?, erweiterte man 1474 zu Ehren der Heiligen die kleine Maternuskapelle „by der Dyrdorp“ und zog alljährlich mit einer Prozession dorthin. So entstand die Ortschaft Agathaberg.

Marktbrunnen

2011

Marktbrunnen erfüllten in früheren Zeiten wichtige Funktionen; sie versorgten die Stadtbewohner mit Trink- und Brauchwasser und dienten zudem als Löschwasserreservoir. Ihrem Stellenwert im städtischen Leben entsprach die meist repräsentative Gestaltung. Auf den Marktplätzen des Rheinlandes sind aus der Zeit um 1600 nur drei achteckige Brunnenbecken erhalten geblieben, nämlich in Bernkastel (1606), Trier (1595) und Wipperfürth (1590). Der Wipperfürther „Stadtkump“ nimmt insofern eine besondere Stellung ein, als in seine steinernen Platten die Namen bzw. Initialen und die Wappen oder Hauszeichen der Stifter eingemeißelt sind. Zwölf von dreizehn konnten identifiziert werden; es handelt sich um Vertreter des städtischen Patriziats, in erster Linie um die damaligen Ratsherren.

Die Stiftung eines neuen Brunnenbeckens im Jahr 1590 stand im Zusammenhang mit dem großen Stadtbrand von 1585; entweder war der alte, 1331 von Johannes de Forche erbaute Brunnen bei dieser Katastrophe stark beschädigt worden, oder sein Becken war schon so undicht, dass es seiner Aufgabe als Löschwasserbehälter nicht mehr gerecht werden konnte. Vom alten Brunnen übernahm man die von einem gotischen Türmchen aus Kupfer gekrönte Mittelsäule. Die Familie von Langenberg stiftete zusätzlich einen Wappenhalterlöwen mit dem Landeswappen Jülich-Berg-Ravensberg.

1833 wurde die Mittelsäule beseitigt; über Jahrzehnte war der ‚Brunnen nur noch ein Torso. Erst 1879 kam es zu einer gründlichen Restaurierung, in deren Verlauf eine neue Mittelsäule mit einer von Dechant Johann Wilhelm Dünner testamentarisch gestifteten Statue errichtet wurde, die Engelbert von Berg darstellen sollte; um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte man begonnen, die von Engelbert verfügte Steuerbefreiung für die Wipperfürther Bürger als Verleihung der Stadtrechte zu deuten. Die eindrucksvolle Figur des „stehenden Engelbert“ hat heute ihren Platz an der Engelbertus-Straße.

Wenige Jahre nach dem Bau eines Rathauses an der Westseite des Marktplatzes kam es zu einer weiteren Restaurierung und Veränderung des Brunnens. Auf Betreiben des Wipperfürther Verschönerungsvereins bekrönte man 1914 die neu geschaffene Mittelsäule mit der Bronzeplastik eines „sitzenden Engelbert“, obwohl Denkmalpfleger den Entwurf des Diözesanbaumeisters Heinrich Renard favorisiert hatten, nach dem der historisch und stilistisch zum Brunnen gehörende Wappenlöwe diesen Platz einnehmen sollte. Eine Kopie des Löwen setzte man auf ein kleines Postament vor dem Brunnen, das Original ging verloren. Im Zuge der Neugestaltung des Marktplatzes wurde 1937 wieder ein neuer Mittelpfeiler geschaffen, auf dem nun die Kopie des Löwen thronte.

Zu Beginn der 50er Jahre wurde der Marktplatz nach dem Bau des neuen Rathauses abermals umgestaltet, und diesmal waren die Konsequenzen für den Brunnen einschneidend. Er wurde mehrere Meter nach Süden verrückt, um 180 Grad gedreht, ca. 40 cm im Boden versenkt und mit einem ganz schlichten Mittelpfeiler versehen, der über Jahre ganz ohne Bekrönung blieb und später eine Blumenschale trug. Erst 1979 nahm hier wieder der „sitzende Engelbert“ Platz, der vorher über 40 Jahre in einer Nische an der Klosterstraße untergebracht war.

 

um 1903
nach Restaurierung 1914
nach Restaurierung 1937
Langenberg Platte
Wappenlöwe 2011

Quelle: Heimat- und Geschichtsverein Wipperfürth, Erich Kahl


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