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"Hansecafe"

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Unruhige Zeiten in Wipperfürth

Vom Anfang und Ende der ersten evangelischen Gemeinde

Mit Herzog Johann Wilhelms Tod im Jahr 1609 starb das klevische Herrscherhaus aus; zwei mit ihm verschwägerte Fürsten, der Pfalzgraf von Neuburg und der Kurfürst von Brandenburg, übernahmen zunächst gemeinsam die Herrschaft. Beide waren Lutheraner und beide garantierten Protestanten und Katholiken die ungehinderte Religionsausübung.

Die Wortführer der Wipperfürther Lutheraner, allesamt Ratsherren und mit katholischen Frauen der Oberschicht verheiratet, fühlten sich jetzt ermutigt, die Gemeindegründung zu veranlassen und nach einem eigenen Gotteshaus Ausschau zu halten. Ihre Wahl fiel auf die kaum genutzte Petruskapelle im Untergeschoss des Rathauses, das wenige Jahre zuvor durch den Ausbau der ehemaligen Petrikirche entstanden war (Standort des heutigen „Hanse-Cafés“). Gegen diesen Plan leisteten die katholische Ratsherren Johann Hag(e)dorn, Johann Weyerstraß, Melchior Langenberg und Adolf Linden erbitterten Widerstand – ob religiöse Gründe oder Spannungen innerhalb des Rates bzw. der Verwandtschaft ausschlaggebend waren, lässt sich nicht rekonstruieren. Von Melchior Langenberg ist bekannt, dass er mit einer Lutheranerin verheiratet war und dass seine Schwester einen der Wortführer der Wipperfürther Protestanten zum Mann hatte. 1610 erhielten die Lutheraner die Erlaubnis, ihren Gottesdienst zwar nicht in der Petruskapelle, aber in der im Obergeschoss des Gebäudes liegenden Ratsstube abzuhalten.

Schon 1614 entzweiten sich die regierenden Fürsten und es begann der „Jülich-Klevische Erbfolgestreit“, der den Dreißigjährigen Krieg um mehrere Jahre überdauerte. Fatalerweise suchten die Kontrahenten die Nähe der Kriegsparteien, die schon seit 1570 ihren Zwist immer wieder im Territorium von Jülich-Berg austrugen; dies waren die niederländischen Generalstaaten und die habsburgisch regierten Spanier. Der Pfalzgraf von Neuburg verbündete sich mit den Spaniern und wurde deshalb katholisch, während der Kurfürst von Brandenburg sich den Holländern anschloss und zum reformierten Bekenntnis übertrat.

Holländer und Spanier einigten sich – natürlich über die Köpfe der Betroffenen hinweg ?, dass die Partei, die einen Ort als erste besetzt hatte, dort ihr jährliches Winterquartier nehmen konnte. Das waren in Wipperfürth die Spanier. Wieder wurde das Rathaus zum Schauplatz: Die einfachen Soldaten logierten im städtischen Lagerraum neben der Petruskapelle. Für die Verköstigung war die Stadt zuständig.

Als die spanischen Truppen nach jahrelangem Waffenstillstand 1622 zwei wichtige Siege erlangt hatten, beendeten sie überall dort, wo sie Winterquartier hielten, die freie Religionsausübung und vertrieben den protestantischen Prediger, so auch in Wipperfürth. Im 19. Jahrhundert hat man dieses Ereignis in verschiedenen Publikationen zur „Bluthochzeit“ stilisiert, einer mit Mord und Totschlag verbundenen Vertreibung der Lutheraner durch ihre katholischen Mitbürger. Dagegen spricht, dass Wipperfürth bereits im nächsten Jahr wieder einen protestantischen Bürgermeister hatte. Trotzdem waren die Konsequenzen tiefgreifend; da im Westfälischen Frieden von 1648 festgelegt wurde, dass überall dort wieder eine evangelische Gemeinde gegründet werden durfte, wo sie 1624 bestanden hatte, blieben die entsprechenden Bemühungen der Wipperfürther Protestanten bis 1788 vergeblich.

Hanse-Café

Ein Platz für die Rast, ein Ort des Handels

Grundstück Hanse-Café vor 1903

Der Flussübergang als Schnittpunkt verschiedener Fernhandelswege bot sich als Ziel für eine Tagesreise und damit als Rastplatz an, sofern hier eine Siedlung bestand, die allemal mehr Sicherheit bot als der Wald oder das freie Feld. Logischerweise musste sich an einem solchen Ort ein Beherbergungsgewerbe entwickeln. Der Rastplatz nahe der Furt war für reisende Kaufleute aber auch deshalb attraktiv, weil sie hier Kollegen treffen und sich mit ihnen im Gespräch austauschen konnten. Auch Geschäfte ließen sich dort machen; für die Bevölkerung der näheren Umgebung war es sicher von Interesse, das Warenangebot der hier rastenden Kaufleute in Augenschein zu nehmen; aus dem Rastplatz entwickelte sich ein Markt.

Die älteste urkundliche Erwähnung des Ortes aus der Zeit um 1131 bezieht sich auf einen dem Kölner Georgsstift gehörenden Bauernhof „infra terminum Weperevorthe“, in der Gemarkung Wipperfürth, und belegt, dass Wipperfürth damals für die nähere Umgebung bereits der Zentralort war. Da es damals hier noch keine Pfarre gab, kann es nur die Bedeutung als Handelsplatz sein, die den Ort gegenüber den benachbarten Dörfern und Höfen auszeichnete. Wenig jünger ist die Erwähnung im ältesten Memorienbuch des Kölner Gereonsstiftes, wo der jährliche Ertrag einer Stiftung des Ruodger in Wuepervurde zeigt, dass es zu dieser Zeit bereits beträchtliche Wirtschaftskraft vor Ort gab.

An der Nordseite des heutigen Marktplatzes stand einst die Petrikirche, deren Ruine nach dem Stadtbrand von 1585 zum Rathaus umgebaut wurde. Schon das Patrozinium lässt einen Zusammenhang mit dem Kölner Domstift vermuten, denn auch der Dom ist dem heiligen Petrus geweiht. Nun war es üblich, dass die Stifte, wenn sie an einem Ort ohne Pfarrei einen Hof besaßen, diesen mit einer Kapelle ausstatteten. Dass die Wipperfürther Pastöre über Jahrhunderte hinweg als einzige im Dekanat Deutz vom Dompropst in ihr Amt eingeführt wurden, kann nur bedeuten, dass die Petrikirche auf eine solche Kapelle zurückgeht und dass die Stiftsherren des Domstifts die ersten waren, die in Wipperfürth seelsorgerisch wirkten. Wenn dieser Hof auch als Herberge diente, könnten die reisenden Kaufleute ihre Waren durchaus schon im Mittelalter dort angeboten haben, wo heutzutage der wöchentliche Markt stattfindet.

Hansecafe

Petruskirche

2011

Die Petruskirche, in historischen Dokumenten meist Petrikirche oder Petruskapelle genannt, stand dort, wo sich heute das „Hansecafé“ befindet. Sie wird 1276 erstmals urkundlich erwähnt, war aber wahrscheinlich wesentlich älter. Das Patrozinium legt den Schluss nahe, dass es sich um eine Gründung des Domstifts zu Köln handelte, war und ist doch auch der Kölner Dom dem heiligen Petrus geweiht. Es wurde vermutet, dass es sich bei der Petruskapelle ursprünglich um eine Missionskirche bzw. um die Eigenkirche eines dem Domstift gehörenden Gehöfts handelte, das eventuell als Keimzelle der späteren Siedlung anzusehen sei. Für die Annahme, dass dieses Gotteshaus auch Wipperfürths erste Pfarrkirche gewesen sei, spricht die Tatsache, dass bis in die Neuzeit hinein Wipperfürth die einzige Pfarre im Dekanat Deutz war, deren Pfarramtskandidat dreimal im Kölner Dom publiziert und vom Dompropst investiert wurde.

Zur Baugeschichte der Petrikirche bis ins späte 16. Jahrhundert gibt es keine konkreten Informationen; immerhin ist bekannt, dass sie nach dem Stadtbrand von 1511 repariert werden musste. Bevor sie 1585 völlig ausbrannte, war sie zweischiffig und besaß zwei Altäre, von denen einer dem heiligen Petrus, der andere der heiligen Katherina geweiht war. Da der Stadtbrand von 1585 auch das bisherige Rathaus zerstört hatte, erlaubte der Landesherr den Wipperfürthern im Jahr 1591, die Kirchenruine zum „Stadthaus“ umzubauen. Zu diesem Zweck wurden eine Zwischendecke eingezogen und ein Uhrenturm angebaut. Das obere Stockwerk, das über eine Freitreppe zugänglich war, diente als Ratsstube, Bürgermeisteramt, Friedensgericht und Gerichtsschreiberei; das „Gefangenenhaus“ war wohl im Turm untergebracht. Das Untergeschoss wurde geteilt; das Schiff mit dem ehemaligen Katharinenaltar nutzte man jetzt als Spritzenhaus und als Raum zur Aufbewahrung städtischer Geräte, das mit dem Petrusaltar, an dem eine Stiftung haftete, aus der ein Vikar bezahlt wurde, sollte als sakraler Raum erhalten bleiben.

Im Jahr 1609 scheiterte die neu gegründete lutherische Gemeinde mit dem Antrag, das verbliebene Kirchenschiff als Gotteshaus nutzen zu dürfen. 1610 erhielt sie allerdings die Erlaubnis, ihren Gottesdienst in der Ratsstube abzuhalten. Während des jülich-klevischen Erbfolgekrieges hatte Wipperfürth ab 1614 darunter zu leiden, dass spanische Soldaten hier im Winterquartier lagen; viele von ihnen logierten in der Petruskapelle. Nachdem die Spanier 1622 bei Bonn eine Schlacht gegen die Holländer gewonnen hatten, vertrieben sie in vielen Orten die evangelischen Prediger, so auch in Wipperfürth; erst 1788 wurde hier vom Landesherrn wieder eine lutherische Gemeinde zugelassen.

Aus dem 18. Jahrhundert gibt es zwei Abbildungen des Wipperfürther „Stadthauses“, wobei die Ploennies-Zeichnung von 1715, auf der Turm und Dach zu erkennen sind, wohl sehr genau, die Darstellung auf der Höller-Karte von 1786 eher schematisch ist.

Im Stadtbrand von 1795 ging das Rathaus mit der Petruskapelle zugrunde; 1804 wurden die Trümmer abgeräumt. Fast 100 Jahre lang war an dem traditionsreichen Standort ein Garten, der zur „Donnerkuhle“, einem Wirtshaus an der Unteren Straße, gehörte und über Jahrzehnte nach dessen Besitzer der „Herbstgarten“ hieß. 1903 erbaute der Konditor Ewald Schmitz auf dem Grundstück das noch heute bestehende Wohn- und Geschäftshaus. Im späten 20. Jahrhundert nutzte die Deutsche Bank die Geschäftsräume; an diese Zeit erinnert ein Tresor in der Herrentoilette des heutigen „Hansecafes“.

Ploennies 1715
Höller-Karte 1786 (Ausschnitt)
Herbstgarten um 1900
Marktplatz 1905

Quelle: Heimat- und Geschichtsverein Wipperfürth, Erich Kahl


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